Eine Linke ohne Arbeiterbewegung?

11:42 0 Comments

Lange Zeit zielten die Forderungen der Linken auf eine Verbesserung des Lebens der Arbeiter ab. Doch heute scheinen viele Arbeiter Niemanden mehr zu wollen, der für sie kämpft. 
Über ein Jahrhundert lang war die Arbeiterbewegung die treibende Kraft der linken Bewegung in Europa. Arbeiter stürzten zumindest in Deutschland mit Aufständen und Revolutionen den Adel ein für alle Mal, mit ihren Stimmen kamen Demokraten und Sozialisten in politische Ämter, durch ihre Solidarität und Organisation in Gewerkschaften wurde die alleinige Macht der Eigentümer über Produktionsmittel gebrochen. Sprich durch die Anstrengungen der Arbeiter ihre eigenen Lebensbedingungen zu verbessern, machten sie die Gesellschaft demokratischer, freiheitlicher, gerechter und solidarischer. Sie waren die treibende Kraft, die uns näher an eine klassenlose Gesellschaft brachte. 

Doch diese Bewegung scheint zumindest in Europa abgeflacht zu sein. Ist es die hohe Nachfrage nach gut qualifizierten Arbeitskräften, die für gute Arbeitsbedingungen und hohe Löhne sorgt? Ist es das Abschreckende Beispiel der Ostblock-Staaten, das zeigt, das auch die Arbeiterbewegung auf einen schrecklichen Irrweg kommen kann? Oder ist es die Tatsache, dass viele Jobs mit schlechten Bedingungen und niedrigem Lohn in Staaten mit repressiven Regierungen outgesourct wurden, in denen es den Arbeitern unmöglich ist für bessere Lebensumstände zu kämpfen? Egal woran es liegt, es ist ein Fakt, dass die Mehrheit der Arbeiter erst immer weniger radikal für gesellschaftlichen Fortschritt kämpften und inzwischen komplett damit aufgehört haben. Heutzutage wählen genau so viele Arbeiter Parteien aus dem Rechten Lager, wie Parteien aus dem Linken Lager, die Mitgliederzahlen der Gewerkschaften gehen zurück, viele alte Institutionen der Arbeiterbewegung haben ernsthafte Existenzprobleme. Ihnen bricht die Basis weg, übrig bleiben diejenigen, die aus Überzeugung und nicht für eine Verbesserung ihrer eigenen Lebensumstände gekämpft haben. 

Doch die übrige Linke hat nicht nur ein Problem durch die zu niedrige Anzahl an Wählern und Unterstützern, nein, sie steht auch vor einer ernsthaften Identitätskrise. Früher war es klar, wessen Interessen man vertreten sollte, wessen Leben man verbessern wollte. Heute ist das nicht mehr so klar. Soll man der Arbeiterschaft in die Mitte oder sogar nach Rechts folgen? Heißt links sein nicht, nicht Arbeiterinteressen vertreten? Kann man denn linke Politik ohne Arbeiter machen? Was bedeutet es denn heutzutage linke Politik zu machen?

Um diese Fragen zu beantworten, muss man sich überlegen warum die Arbeiterbewegung eigentlich links war. Warum konnten Arbeiter für ihr eigenen Interessen, für ein besseres Leben für sich selbst, kämpfen und gleichzeitig die Gesellschaft verbessern. Wenn das Banker oder Politiker machen, funktioniert es aus irgendeinem Grund nicht so. 
Die Antwort liegt eigentlich auf der Hand. 
Die Arbeiter waren, als die Arbeiterbewegung startete, Ende des 19. Jahrhunderts, unterdrückt. Zu diesem Zeitpunkt lag die gesamte wirtschaftliche Macht in den Händen der Fabrikbesitzer, diese konnten aufgrund der hohen Anzahl an Arbeitslosen, Löhne drücken und schlechte Arbeitsbedingungen unverändert lassen. Für jeden der etwas dagegen sagte oder sich weigerte für kaum Geld extrem anstrengende Arbeitern zu machen, warteten vor den Fabriktoren zehn, die dazu bereit waren. Die politische Macht war hauptsächlich in der Hand des deutschen Adels und der wohlhabenden Bürgern, immerhin galt damals ein Zensuswahlrecht, wie viel die Stimme des Einzelnen zählte, hing davon ab, wie viele Steuern er zahlte. So konnten die Arbeiter innerhalb des Systems nichts daran ändern, dass sie wirtschaftlich ausgebeutet wurden und mussten im Ersten Weltkrieg, in dem sie den Großteil der Soldaten stellten, die Suppe auslöffeln, die eine Außenpolitik eingebrockt hatte, die sie nicht mitbestimmen konnten. 
Die Mächtigen dieser Gesellschaft nutzten ihre Macht gnadenlos aus, um die machtlosen Arbeiter für ihren persönlichen Reichtum und ihre Geltungssucht auszubeuten. 

Als sie sich also in Gewerkschaften organisierten und Parteien gründeten, versuchten die Arbeiter also die Macht der Fabrikbesitzer und Adeligen zu brechen, sich selbst Mitbestimmung zu erkämpfen und so ein gesellschaftliches System zu schaffen, dass auch ihnen, nicht nur den damals Mächtigen, ein gutes Leben ermöglicht. Damit verkörperten sie ganz genau den linken Gedanken. 
Wenn die Machtlosen um die Macht kämpfen, die sie brauchen um sich selbst ein gutes Leben zu sichern ist das ein linker Kampf. Wenn Menschen die bereits Macht und ein gutes Leben haben um noch mehr Macht kämpfen, nicht. 

Heute scheint es so, als hätte die Arbeiterschaft in Europa diesen Kampf gewonnen. Zumindest sind viele Arbeiter mit ihrem Leben zufrieden genug, um nicht weiter um Verbesserung zu kämpfen zu wollen. 

Doch das heißt nicht das der linke Kampf, darum einem jedem Menschen die Möglichkeit, die Macht, zu geben ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben zu führen, gewonnen ist. Wenn Linke aus Überzeugung heute fragen, für wen sie kämpfen sollen, sollten sie sich fragen, wer denn heute noch unterdrückt, wer heute noch durch Machtstrukturen unserer Gesellschaft daran gehindert wird, ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben zu führen.
_________________________________________________________________________

0 Kommentare: